Ups, ein Hexenbaby!

Autor: Thomas C. Brezina
Verlag: Schneiderbuch / Egmont
Umfang: 192 Seiten

Kurzinformation zum Buch

Schneiderbuch verlegt durch Egmont Verlagsgesellschaften mbH.

Lissi und Tinka müssen etwas gegen ihre chronischen Geldnöte unternehmen, denn es gibt einen Schaden, den sie wieder gutmachen wollen. Da kommen die neuen Nachbarn gerade recht. Sie bieten Tinka und Lissi einen Job als Babysitter und einen königlichen Stundenlohn an. Leicht verdientes Geld, denken sich die zwei. Schließlich kennen sie sich mit kleinen Nervensägen aus. Schon bald jedoch merken die Mädchen, dass es leichter ist, einen Sack Flöhe als dieses Baby zu hüten. Und dann schaltet sich auch noch der Hexenrat ein.

Leseprobe aus »Ups, ein Hexenbaby! - No Jungs! Zutritt nur für Hexen (Bd. 20)«

Aufwachen

„Ich will ein Teppich sein!“, stöhnte Lissi. Dabei warf sie sich herum, bis die Seile ihrer Hängematte krachten. „Oder ein Kopfkissen. Von mir aus auch eine Klo-Matte!“
Tinka, die gerade in ihren neuen Pulli schlüpfte, verharrte in der Bewegung. Oben, aus dem Halsausschnitt, guckten nur ihre beiden Augen hervor.

„Wie bitte?“, fragte sie, weil sie glaubte, sich verhört zu haben. „Was meinst du? Habe ich Talent zur Klo-Matte?“, wollte Lissi wissen.
„Bist du heute Nacht aus deiner Hängematte gefallen?“
Lissi hob den völlig verstrubbelten Kopf. Mit verquollenen Augen blinzelte sie müde dem Morgen entgegen.
„Eine Klo-Matte kann den ganzen Tag lang liegen bleiben“, jammerte sie. „Ich nicht. Ich muss zur Schule.“
Da konnte ihr Tinka nur recht geben. „Du bist schon zwanzig Minuten überfällig. Besser, du stehst auf. Ich warte nicht auf dich, weil wir sonst wieder zu spät kommen. Darauf habe ich keine Lust.“
„Es ist Mitternacht!“, beklagte sich Lissi. „Geisterstunde.“
„Nein, es ist zehn Minuten nach sieben“, korrigierte Tinka, die noch immer nicht ganz in ihren Pulli geschlüpft war und völlig verrenkt dastand.

„Ich sehe aber ein Gespenst“, ätzte Lissi und meinte ihre halb angezogene Schwester.
Energisch zog sich Tinka den Pulli über den Kopf. „STEH AUF!“, befahl sie scharf.
Wimmernd wie ein alleingelassenes Hundebaby, ließ sich Lissi aus der Hängematte gleiten. Sie landete auf allen vieren und kroch Richtung Tür.
Tinka rang die Hände. „Mach nicht so ein Theater!“
Maulend verschwand Lissi aus dem Zimmer und tappte zum Bad. In letzter Zeit war es mit ihr zum Verzweifeln. Keinen Morgen kam sie hoch. Einmal hatte Tinka sie sogar aus der Hängematte werfen müssen.

In der Küche tobte bei den Schnabel-Meierbeers der übliche Morgenwahnsinn.
„Jeder lässt wieder einmal seinen Vogel fliegen“, stellte Tinka fest, als sie eintrat.
Boris, ihr Stiefvater, briet Eier in der Pfanne und tanzte zur Musik aus dem Radio. Da er nicht sehr sportlich war und immer pummeliger wurde, sah er sehr peinlich dabei aus.
Grit, Tinkas Mutter, war wie gewöhnlich auf der Suche nach den Autoschlüsseln, Notizzetteln und ihrem Handy.
Stan, Tinkas Bruder, bewunderte sich in einem Suppenlöffel und strich dabei jede Haarsträhne einzeln glatt.

Frank, ihr Stiefbruder, gab mit viel Gegrunze und vollem Mund eine Geschichte zum Besten.
David, der Jüngste, probierte die Wirkung einiger Wörter aus, die er im Kindergarten aufgeschnappt hatte. „Popogucker! Zehenlutscher! Popelfresser! Ohrenbohrer“, plapperte er fröhlich vor sich hin. Dabei ließ er seine Eltern nicht aus den Augen, begierig keine ihrer Reaktionen zu versäumen. Boris und Grit waren aber zu beschäftigt und bekamen zu seiner Enttäuschung nichts mit.
„Popofresser!“, krähte David voller Übermut und so laut, dass es in den Ohren klingelte.
„Vorhin war es aber noch PopoGUCKER und PopelFRESSER“, verbesserte ihn Tinka lächelnd. Damit brachte sie den Kleinen tatsächlich zum Verstummen.

Noch immer halb schlafend kam Lissi in die Küche gewankt. Sie zog zwei Brotscheiben aus dem Toaster, ließ sich von ihrem Vater ein Spiegelei darauflegen, klappte sie zusammen wie ein Sandwich und biss herzhaft hinein. Den Früchtetee trank sie gleich aus der Kanne, weil sie zu faul war, ihn in eine Tasse zu gießen.
„Kindchen, was ist los mit dir?“, erkundigte sich Boris.
„Meinst du mich?“, brummte Lissi.
„Ja, meine Tochter. Ich mache mir langsam wirklich Sorgen um dich.“
„Wieso?“ „Weil du nie richtig ausgeschlafen bist.“ Tinka verschwieg, dass Lissi vor Kurzem sogar in der Schule eingenickt war. Zum Glück hatte es Frau Reingard, ihre Klassenlehrerin, nicht mitbekommen. Tinka hatte ihre Schwester gerade noch rechtzeitig mit einem heftigen Ellenbogenstoß geweckt, als sie angefangen hatte, leise zu schnarchen.
„Bin im Wachsen“, knurrte Lissi. „Das macht schlapp.“
Stan zog eine Augenbraue hoch. „Ich hoffe, dein Gehirn wächst auch mal. Nicht nur dein Busen.“ Er brach in dämliches Gekicher aus.

Drohend schwang Lissi die Faust. „Meine Mukis sind stark genug, dich so zu vermöbeln, dass du mindestens eine Woche brauchst, um dich wieder zusammenzusetzen.“
„Kinder, ich bitte euch!“, schob sich Grit dazwischen. „Friede, Friede, habt ihr verstanden?“
„Heute Nachmittag kommst du in meine Praxis. Ich möchte dich untersuchen“, verlangte Boris. Er war Arzt und seine Praxis befand sich im Erdgeschoss des Hauses der Familie.
„Geht nicht. Heute ist Freitag“, winkte Lissi ab. Von Freitagmittag bis Sonntagmittag durften Tinka und Lissi in ihrem eigenen Häuschen in der Kristallgasse wohnen. Das Haus hatten sie vor einiger Zeit von Frau Schicketanz, einer alten weißen Hexe, geschenkt bekommen. Und nicht nur das ...
„Dann spätestens am Montag, wenn deine Müdigkeit bis dahin nicht weg ist“, entschied ihr Vater.
Grit blickte in ihre offene Handtasche und schüttelte in einem fort den Kopf. „Wenn ich nur wüsste, wo ich ihn hingelegt habe.“

„Was suchst du, mein Schatz?“, erkundigte sich Boris. „Meinen Glücksbringer, den du mir geschenkt hast.“ Grit seufzte verklärt. „Dein erstes Geschenk an mich.“ „Der kleine Elefant aus Silber?“ „Ja, genau der.“ Grit war anzusehen, wie traurig sie der Verlust machte. „Ich bin doch so abergläubisch“, gestand sie. „Seit der Elefant weg ist, habe ich ständig so ein ungutes Gefühl, uns könnte etwas zustoßen. Oder alles läuft auf einmal schief und mein kleiner Blumenladen geht pleite.“ „Aber Schätzchen, das ist doch nur Aberglaube.“ Boris Schnabel-Meierbeer nahm seine Frau etwas unbeholfen in die Arme und drückte sie. Grit ließ es sich gern gefallen. Stan verdrehte die Augen. Frank knurrte nur: „Kitsch!“

Vom Herd stieg schwarzer Rauch auf. Dann folgte eine Stichflamme, die bis in den Dunstabzug schlug und wie ein Blitz wieder zurück in die Pfanne schoss.
„Feuerwehr! Feuerwehr!“, krähte David fröhlich.
„Du meine Güte!“ Boris schnappte sich die Pfanne und zog sie vom Herd in die Spüle, wobei er sich auch noch die Hände verbrannte. „Die Butter muss sich entzündet haben oder so“, rief er aufgeregt und riss schnell die Fenster auf. Danach kühlte er seine Handflächen, auf die Grit später liebevoll Brandsalbe auftrug.
„Verstehst du jetzt, was ich meine?“, fragte sie niedergeschlagen.
„Wir müssen los!“, drängte Lissi. „Alles in Ordnung, Mam?“, erkundigte sich Tinka. „Jaja, saust nur, sonst kommt ihr zu spät.“ Tinka warf einen letzten bekümmerten Blick auf ihre Mutter. Wie konnte man sie wieder aufheitern? Der Glücksbringer musste doch zu finden sein.
Als die Mädchen das Haus verließen, wurde Tinka unruhig. „Jetzt sind wir wirklich zu spät. Selbst mit dem Bus schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig zur Schule. Unter keinen Umständen will ich Herrn Wichting in die Arme laufen.“
„Dann müssen wir eben hexen. Ist ein Notfall.“ Lissi ging hinter die Mülltonnen und Tinka folgte ihr.
„Wir dürfen nicht hexen, wenn uns jemand sehen könnte“, erinnerte Tinka sie.
„Zuspätkommen oder hexen, du hast die Wahl“, bot Lissi an.
Die Vorstellung, von Herrn Wichting eine Strafpredigt zu bekommen und nachsitzen zu müssen, war Tinka unerträglich. Dann besser heimlich hexen. Es würde schon keiner bemerken.

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