Lobo und die Frauen – Der Versuch, ein richtiger Mann zu werden

Autor: A. Groll
Verlag: echomedia Buchverlag
Umfang: 168 Seiten

Kurzinformation zum Buch

High Noon in Las Vegas: Lobo, der virtuelle Herzensbrecher, startet voll durch und erobert das WWW!

Im 37. Stock des Wynn endet eine Beziehung. Die Wege trennen sich. Mit den letzten 100 Dollar in der Tasche und Van Morrisons „The Healing Game“ im Ohr fliegt Andreas zurück nach Wien. Dort beginnt etwas Neues und Faszinierendes für ihn. Im World Wide Web entdeckt er ein unüberschaubares Angebot an Flirts, Eroberungen und Begegnungen, die nicht nur die erwünschte Ablenkung, sondern auch einen neuen Kick in sein Leben bringen. Als Lobo, der virtuelle Herzensbrecher, beschließt er, sich seine ganz persönliche Barbie zu „schnitzen“. Doch wie geht es einem, der noch gedanklich in der Vergangenheit festsitzt, aber trotzdem die Versuchung neuer Abenteuer annehmen will? Was passiert mit Lobo, dem einsamen Wolf? In einer Zeit, die „Beziehung“ zu einem Auslaufmodell degradiert, beginnt sich mitten in Wien ein emotionales Karussell zu drehen.

Lobo im Internet: www.lobounddiefrauen.com 

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Leseprobe aus »Lobo und die Frauen – Der Versuch, ein richtiger Mann zu werden«

Kapitel 1

Landeanflug auf München, wir durchqueren eine Gewitterfront. Wäre ich nicht angeschnallt, müsste ich mich an den Gepäckfächern über mir abstützen, um nicht mit dem Kopf dagegenzudonnern. Erinnert schon ein wenig an daheim – Wiener Wurstelprater, Hochschaubahn!

Und dann … „Verdammt!“ Die Turbinen werden ungewöhnlich laut, wir starten noch mal durch.

Andererseits egal, ich fühle mich seit dem Abflug in Las Vegas so bescheiden, dass es darauf nicht mehr ankommt.

High Noon im Wynn, im 37. Stock.

Ein paar Projektile verbaler Art, und sechs Jahre mit Daniella 
sind Geschichte. Ich war allerdings bereits angeschlagen, da ähnliche Geschoße – hinterrücks abgefeuert, täglich, und das zwei Wochen lang – schon einigermaßen meine Verfassung beeinträchtigt hatten.

Letzte kühle Verabschiedung am Flughafen in Vegas, noch dazu in Eile, denn meine Reisegruppe – das waren Daniella, drei Kinder und ihr (mittlerweile) Ex – ja, der war auch dabei, durfte sechs Jahre lang fast alles zahlen, meist ohne es zu wissen, sorry! – flog nach Hawaii weiter und musste sich beeilen, den Flug nicht zu verpassen.

Dafür hab ich meinen verpasst! Am Schalter gestanden 
mit hundert Dollar in der Tasche und einem Koffer voll Schmutzwäsche, den letzten Erinnerungsstücken an jahrelange Verbundenheit und den Versuch, jemandem aus selbst 
verursachter Lebensfehlplanung herauszuhelfen.

Meine Fehlplanung waren die vergangenen sechs Jahre, die mich fast an den Rand meiner Existenz gebracht hätten. Wohin es allerdings nicht weit gewesen war, muss ich zugeben.

In deprimiertem Überschwang, zitternd am Flughafen in einer Ecke am Boden sitzend, stellte sich Aufbruchsstimmung ein. Was werde ich nicht alles tun, wenn ich wieder daheim bin! 
Mit gutem Gefühl ins „Krawa“ – wie das Krapfenwaldbad von Eingeweihten genannt wird – gehen, ohne den überflüssigen Kommentar: „Glaubst, dass d’ so schön bist?“ … Was anscheinend die Eintrittsberechtigung für öffentliche Freibäder ist, mir aber offenbar nicht bewusst war. (Immerhin hab ich den ganzen folgenden Sommer dann wirklich dort verbracht …)

Mir Zeit nehmen für wichtige Dinge, ohne andauernd über 
Antworten auf die Fragen „Wo bist du?“, „Wann kommst du?“ nachdenken zu müssen.

Und letztendlich einen Blick auf die für einen Nichtuser geheimnisumwobenen Internetflirtseiten werfen. Mich umschauen und aussuchen können, wie früher als kleines Kind beim Herzmansky.

Eine reizvolle Vorstellung, alles im Vorhinein klar festgelegt. Will man seitenspringen, sich verlieben oder (wobei das eine das andere nicht ausschließt) diskutieren? Oder bloß neue Bekanntschaften machen? Es gibt keine Missverständnisse, jeder weiß, was der andere erwartet. Sollte man glauben. Doch wo der Mensch die Hände im Spiel hat, geht sogar die virtuelle Welt in die Knie.

Aber erst mal nach Hause kommen! Die Landung in München gelingt im zweiten Anlauf. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend verlasse ich den Flieger, bin mir nicht ganz sicher, 
woher das kommt und habe plötzlich ein starkes Bedürfnis nach Kamillentee.

Das Handy läutet. Ein bekannter Name auf dem Display, dem ich zwei Wochen lang jeden Tag versprochen habe: „Du siehst mich nie mehr wieder.“ Allerdings nur in inneren Dialogen, die ich mit mir selbst führte. Und in diesem Moment wird das Versprechen auch aufs Telefonieren ausgeweitet. Ich lasse es läuten. Soll das Gegenüber sich doch fragen, ob ich noch in Vegas feststecke, irrtümlich Richtung Australien unterwegs bin oder es doch allein bis nach Hause geschafft habe.

Schließlich war ich, wie Daniella in diesen letzten Tagen festgestellt hat, schon „fast ihr viertes Kind …“. Viertes Kind einer großartigen Mutter, die mir im Zuge des Showdowns hoch über Las Vegas unbedingt mitteilen musste, dass sie jetzt endlich RICHTIGE Männer kennengelernt hat.

„Männer, die nur mich ansehen, wenn sie mit mir wo sitzen. Die mir sagen, was für eine tolle Frau ich bin!“

Na, gratuliere! Dafür sechs Jahre verschissen.

„Du hast jetzt nichts kapiert und in den Jahren davor noch weniger“, waren meine letzten (rückblickend betrachtet: viel zu freundlichen) Worte.

Ich kaufe mir einen Tee, setze mich in eine Ecke, die Kopfhörer auf und beruhige mich mit Van Morrisons „The Healing Game“. Hoffentlich hilft es.

Wie freu ich mich schon auf daheim! Marvin, mein einziger, wahrer und bester Freund, wird mich vom Flughafen abholen. Endlich wieder ein normales Gespräch und auf einer Ebene mit dem Gegenüber. Das erinnert mich an eine Aussage: „Du bist eben nicht auf dem selben Level wie wir.“ … Kann man natürlich in die eine oder andere Richtung auslegen. Ich hab mich für die eine entschieden und meinen Job als Chauffeur der ehrenwerten Familie erledigt.

Durch Kalifornien, Nevada, Utah. Traumhafte Landschaften. Der Grand Canyon, wo ich unbedingt noch mal hinmuss, um ein bestimmtes Foto zu schießen. Oder Bryce Canyon bei Sonnenaufgang, während alle anderen noch geschlafen haben. Auf der Terrasse einer Ranch am Colorado River im Holzschaukelstuhl (da haben ebenfalls noch alle geschlafen …) mit Erdhörnchen, Rehen – und Springsteen im Ohr.

Rückblickend war ich bereits auf meiner eigenen Reise. Die Dinge, an die ich mich gern erinnere, hab ich allein gemacht.

Daheim werde ich mein Internet gleich auf 10 GB aufrüsten, und dann gibt es kein Halten mehr.

Aber, wie gesagt, zuerst muss ich mal nach Hause kommen. Schlechtes Wetter, Verspätung … Knapp vor Mitternacht hole ich den Koffer (mit der Schmutzwäsche meiner „Geschwister“ und Ersatzmutter) in WienSchwechat vom Fließband und freu mich auf meinen Blutsbruder.

Endlich! Bei angenehmer Temperatur und leichtem Regen geht die Fahrt Richtung Döbling.

Gleich hinauf auf den Cobenzl, schlafen kann ich sowieso nicht. Es gibt genug zu erzählen – auf beiden Seiten.

Euphorie macht sich breit! Es wird Zeit, der Welt in den Arsch zu treten. Sich zu nehmen, was man will.

„Ich hab mir dich ausgesucht, aber du warst immer so negativ.“ Das aus dem Mund von jemandem zu hören, der eines Tages Tabletten (eine ganze Menge auf einmal) geschluckt hat, wobei ich nicht mal mehr weiß, warum, und alle zwei Wochen – obwohl selbst verheiratet – eifersüchtig explodiert ist, war schon sehr seltsam.

Naja, die persönliche Sicht der Dinge …

Die Chance auf lebenslanges Vertrauen war da, hat sich aber so schnell verabschiedet wie ein Magenkranker mit Dünnpfiff.

Jetzt heim und ins Bett! … Allerdings habe ich schon bessere Ideen gehabt. Jetlag! Ich liege putzmunter da, und im Kopf 
rotiert die Erinnerung an einen unvergesslichen Urlaub.

Unglaublich, wie sich manche Erfahrungen im Leben festsetzen und einen verfolgen.

Das U-Boot-Dasein hat sich auf mein Sozialleben ausgewirkt. Ich muss unbedingt wieder neue Leute kennenlernen und komme mir vor wie Robinson ohne Freitag … schreckliche Nächte, eine Woche lang!

Tagsüber Flucht ins Krawa, oder ich sitze auf meiner Harley, um das Hirn durchzulüften. Außerdem könnte es nicht schaden, ein bisschen zu arbeiten … lenkt zumindest ab. Harleyfahren ist mir allerdings lieber!

Man ist der Chemie des eigenen Körpers ausgeliefert, ohne Fluchtmöglichkeit. Wie in der Schule: „Alles Leben ist Chemie“, physisch und psychisch. Und jetzt heißt es, die Gegenreaktion zu finden. Aus Säure Base machen, aus Gelb Violett, aus Winterstiefeln Sommersandalen schnitzen.

Eine mögliche Lösung hat viele Namen: love.at, iLove.at, Friend
Scout24.at, match.com, … Das wird lässig! Ankreuzen, bestellen und genießen. Ganz einfach! Von der Haarfarbe bis zum Fitnesslevel werd ich mir meine persönliche Barbie zusammenstellen, dann suchen lassen und – Bingo! Männerträume werden wahr. Ein Leben wie Hugh Hefner.

In Los Angeles sind wir an seiner Villa vorbeigefahren. Bunny hab ich keines gesehen … besser so! Sonst hätte mein Mamahase sicher gemeint: „Sollen wir stehen bleiben und warten, bis du fertiggeschaut hast?“ So geschehen am Rodeo Drive. Ein Kellner, die Reinkarnation des verstorbenen Rudolph Moshammer (Ist er möglicherweise nach L.A. geflüchtet? Aus Steuergründen? Hat ihn sein Hund gebissen? Oder jemand anderer?), bediente zwei Blondinen.

Ich SCHWÖRE, nur auf den Kellner konzentriert gewesen zu sein! Jedenfalls musste ich mir oben genannte Aussage vor versammeltem Nachwuchs anhören. Hab nicht darauf reagiert. Es war für die Kleinen schon schwer genug, mit ihrem verkorksten Familienleben fertigzuwerden. Niemand hatte einen Ahnung, wer oder was ich wirklich war. Offiziell Trainer, Hausmeister und letztendlich Chauffeur, inoffiziell Fantômas, der Retter im Überfluss (kommt anscheinend von „überflüssig“) lebender Hausfrauen.

Mission erfüllt, der Mohr kann gehen. Und er ist gegangen. Wie John Wayne nach einem Duell mit bösen Banditen. Zwar hinkend, aber den Hut noch auf dem Kopf und mit dem Wissen: „Nur ein toter Bandit ist ein guter Bandit.“

Aber keine Sorge, ich habe und hatte weder Mord- noch Selbstmordabsichten. Nur einen Hang zu übertrieben melodramatischer Selbstinszenierung. Das wird sich nie ändern! Mühsam!

Kapitel 2

Ich überlege, welchen Nickname ich mir zulegen soll und kämpfe mich durch die Anmeldung. Die anfangs versprochene „Gratismitgliedschaft“ fungiert als Einstiegsdroge. Mittlerweile auf der Seite mit den Vertragsoptionen angekommen, entscheide ich, vorerst „gratis“ zu bleiben und die Sache zu beobachten.

Fotos hochladen, persönlichen Text ausfüllen … was ich auf später verschiebe. Schließlich will man ja möglichst originell sein, und mir fällt im Moment nichts ein.

Die Idee! „Lobo“: das perfekte Pseudonym. Klingt zwar nach mexikanischem Feldarbeiter, bedeutet aber „einsamer Wolf“. Damit kann ich mich sogar identifizieren.

Verdammt, gibt es schon! Als Alternativen werden mir „lobo2“, „lobo64“ und „lobo1964“ angeboten.

Mit dem zweiten Platz kann ich mich ganz sicher nicht anfreunden, also fällt die Wahl auf „lobo64“. So wissen alle sofort wie alt ich bin und können sich wundern, wie jung ich aussehe.

Die Fotos hat Marvin von mir gemacht. Sogar sehr gute, wie wir beide zufrieden feststellen. Jetzt hinein ins Profil damit und die Frauen werden Schlange stehen. Balsam für die geprügelte Seele.

Ich sende meine Daten zur Überprüfung ein, bekomme eine Mail, um zu bestätigen – und es kann losgehen. Bin schon sehr gespannt!

Jetzt schau ich mich einmal um. Suche: weibliches Wesen, 
30–45 Jahre, Wohnort egal, alles andere ebenfalls … vorerst! 583 Ergebnisse – uff! Und alle für mich …

Ein breites Grinsen legt sich über mein Gesicht. Vielleicht sollte ich noch schnell einkaufen gehen. Im Kühlschrank herrscht gewohnte Leere und ich will nicht vor dem Laptop verhungern, womöglich ohne es zu merken, fasziniert vom weiblichen Überangebot.

Super Sache! So stell ich mir die Wohlstandsgesellschaft vor und kann mich voll mit ihr identifizieren. Na, dann los!

Wie im Paradies! Alle lächeln mich an, schauen mich an … hin und wieder auch ihre Haustiere, und ich will gar nicht wissen, wie viele Fakes über meinen Bildschirm wandern. Fürs Erste aber, völlig geblendet, beginne ich mich durch die Suchergebnisse zu arbeiten. Adieu, armselige Vergangenheit, ein neues Leben beginnt!

Nach dem hundertsten inspizierten Profil fange ich langsam an zu schielen. Die Hälfte davon „Mausis“, „Puppis“, „Angels“, „Hexis“. Anscheinend haben es andere auch nicht leicht, einen 
originellen Nickname zu finden. Oder steht der Intellekt des Users in direktem Zusammenhang mit seinem Pseudonym? Ein Verdacht, der sich noch bestätigen wird.

Zunächst zählt jedoch die optische Wirkung. Arme Kandidatinnen ohne Profilfoto! Ihr werdet nie in den Genuss meiner Aufmerksamkeit kommen, aber möglicherweise einen Grund für die selbst verordnete Anonymität haben. Verheiratet? Gerade in Scheidung? Schüchtern? Unattraktiv?

Ich beschließe, dieses Rätsel nicht zu lösen. Viel zu riskant, frei nach Goethe: „ Die Geister, die ich rief …“

Langsam durchblicke ich das System. Favoriten anlegen, sehr praktisch! So hab ich meine Spitzenkandidatinnen immer unter Kontrolle und sehe, wann sie online sind.

Zwinkerer schicken … was ist das, bitte? Ich kann schon in natura nicht zwinkern, wenn eine Frau vor mir steht. Kriege dann eher einen Schweißausbruch. Lächerlich! Diese Funktion werde ich boykottieren.

Und schon trifft der erste Zwinkerer ein. Mir wird heiß!

Nur nicht das Profil aufmachen. Es könnte als Interesse ausgelegt werden. Cool bleiben, du bist Lobo!

Ich lasse ein paar Anstandsminuten verstreichen (etwa eine Stunde) und schleiche mich langsam an. Die Zwinkerliste ist geöffnet. Ich kann das Foto erkennen und den Begrüßungstext gleich daneben … sehr praktisch. „Zimtschnecke“: blond, nettes Gesicht, mehr ist nicht zu sehen. Meine Zielgruppe!

… Was soll ich hier über mich schreiben? Ist schwer, sich selbst zu beschreiben. Bin intelligent, 
empathisch, naturverbunden und stehe mit beiden Beinen im Leben …

Das klingt ganz gut!

Attraktiv wäre mir zwar lieber als intelligent, aber vielleicht lässt sich ja beides vereinen. Empathisch ist o.k., naturverbunden auch. Und mit beiden Beinen im Leben stehend … 
Anscheinend sind alle Gliedmaßen noch vorhanden, den linken und rechten Arm kann ich auf dem Foto erkennen. Eine Sorge weniger.

Zimtschnecke ist weiterhin online. Hat sie keine Kinder, die etwas zu essen brauchen oder irgendein anderes Bedürfnis? Ich werde warten, bis sie aus dem System ausgestiegen ist und ihr dann einen Besuch abstatten.

In der Zwischenzeit füllt sich meine Besucherliste. Als Neumitglied in einer speziellen Spalte der routinierten Flirtmeute zum Fraß vorgeworfen, erregt man schnell Aufmerksamkeit. Ich fürchte nur, das wird sich bald legen. Erst mal genießen!

Es ist überraschend, wie positiv die virtuell anwesende Weiblichkeit wirkt. Männliche Konkurrenz beschließe ich zu ignorieren. Wer weiß, welche Verwicklungen daraus entstehen können. Und Verwicklungen hatte ich genug in den letzten sechseinhalb Jahren.

Beim ersten „Überfall“ in der Au, als Daniellas Gesicht plötzlich über mir auftauchte, ich am Rücken liegend wie ein wehrloser Maikäfer, wusste ich: „Das wird Probleme geben.“ Ich hätte auf mich hören und die Beine in die Hand nehmen sollen. Abenteuerlust und Sympathie haben mich gelähmt. Abenteuer gab 
es jedenfalls genug, ein Ehemann und drei Kinder, die allesamt gute Bekannte waren, haben dafür gesorgt. Wenn auch unwissend und unfreiwillig, aber davon später mehr.

Jetzt suche ich aus! Und betrachte meine Besucherinnen. Naja … einigen würde ich im wirklichen Leben nicht begegnen wollen. Der Rest wirkt ganz nett, aber etwas Umwerfendes ist nicht dabei – noch nicht! Die Hoffnung lebt.

Chatanfrage! Hilfe, ich hab noch nie gechattet! Silli69 aus Knittelfeld … so schnell ist man (inter)national bekannt. Allerdings scheitere ich an meinen virtuellen Möglichkeiten. Als Nichtzahler ist meine Chatfunktion deaktiviert. Beim Versuch, die Unterhaltung zu starten, öffnet sich sofort wieder das Fenster mit den Zahlungsmöglichkeiten.

Sch…! Aber Silli war sowieso nicht mein Typ und wird wieder ins Nirwana geschickt.

Na endlich, ein interessanter Besuch. Bettina39 aus Wien, mit Vollkörperfoto in Jeans und Top. Super Figur, blond (schon wieder, was aber kein Fehler ist), das Gesicht elegant hinter den Haaren versteckt. Wen interessiert schon das Gesicht – bei dieser Figur! Und, wie in meinem Profil, kein Begrüßungstext! Ich glaube, wir würden uns gut verstehen.

Zum Abwarten verurteilt, da ich niemand anschreiben kann, werde ich zunehmend nervöser.

Bitte, Bettina, schreib eine Nachricht! Ich weiß, wir passen 
zusammen. Oder, übersetzt: Lass uns doch wenigstens einmal bumsen!

Nichts passiert. Keine Nachricht, kein Zwinkerer, K. o. in der ersten Runde.

Letzter Hilferuf: Ich werfe einen Blick auf ihr Profil und verewige mich in der Besucherliste. Keine weiteren Fotos, Beruf: freischaffend, Kinder: null … interessante Voraussetzungen.

Leider ist es wieder mal wie im wirklichen Leben. Die Richtigen (und ich weiß, das wäre die Richtige gewesen; ich hab es gespürt …) machen einen Bogen um mich und die Falschen hängen mir am Rockzipfel (zumindest sechs Jahre lang).

Meine Besucherinnen geben sich die Klinke in die Hand: „hexenkessel44“ „traumfee“, „groovy0567“, „bettymaus“, „edelweiss“.

Zum Teil originelle Namen und mehr oder weniger interessante 
Bilder und Selbstbeschreibungen.

Langsam verliere ich die Scheu und öffne ein Profil nach dem anderen. Als Folge geht mein Interesse in stetigen Sinkflug über. Ganz nett, aber … Niemand dabei, mit dem ich 
mir interessanten Mailverkehr, geschweige denn ein Treffen vorstellen kann.

Ich sehe gerade, Zimtschnecke ist online – ich bin schon gespannt, was mich erwartet. Es gibt sogar weitere Fotos. Was die zeigen, bringt mich an den Rand einer Depression.

Enorme Körperfülle, die auf dem Profilfoto nicht zu erkennen war. Ihr Nickname ist also Programm! Zimtschnecke kann sich bestimmt genauso damit identifizieren wie ich mich mit meinem. Mit rapide abnehmendem Interesse lese ich mich durch die Angaben. 171 cm, 85 kg … doch nicht meine Zielgruppe. Danke fürs Zuzwinkern!

Langsam frage ich mich, ob meine Taktik die richtige ist. Oder sollte ich die Initiative übernehmen? Einzahlen und jene anschreiben, die interessant wirken. Wobei ich riskiere, mir einen Korb nach dem anderen zu holen. Nicht sehr gut fürs Ego, aber anders wird es anscheinend nicht funktionieren. Ich muss darüber nachdenken. Erst mal bin ich noch am Schauen und Staunen ...

Kapitel 3

Mittlerweile auf vier verschiedenen Flirtseiten registriert und mit Skypemöglichkeit, um nicht vom jeweiligen Plattformchat abhängig zu sein, stecke ich schon bis zum Hals im Kommunikationssumpf ... und genieße ihn wie ein Moorbad. Alle Seiten gleichzeitig geöffnet, klicke ich mich von einer zur nächsten, um zu sehen, was es Neues gibt. Eine virtuelle Welt mit realen Teilnehmern. Die moderne Art, einander kennenzulernen. Und es funktioniert verdammt einfach.

... Hi, hallo, ... wie gehts? ... Lust zu chatten? ... nettes Profil, meld dich mal ...

Die originelleren Varianten:

... Ich hab 3 Kinder, jetzt fehlt mir noch ein Mann ...

... Magst oder kannst mir nicht schreiben? :-) ...

... Ok bin sehr beschäftigt Person ok, so können sie mir E-mail ok und ich werde Sie auch E-mail ok so das ist meine E-mail-addrss ok ...

... und die unwiderstehlichen:

... Ich bin beeindruckt von dir. Ich habe mich in deine Bilder verliebt. Du bist ein ganzer Mann ...

... Wow, sprachlos. Sorry, aber noch nie ist mir ein Bild dermaßen in die Knochen gefahren, wie das zweite in deinem Album ...

Es gibt Massenmails aus dem Osten ...

... Hallo. Mir hat Ihr Profil sehr stark gefallen. Ich wollte den Verkehr mit Ihnen beginnen. Ich suche fast eben das Jahr ohne Partner des Satellites des Lebens. Wenn ich ein wenig obwohl Ihnen gefallen habe wollen wir kennenlernen. Mich rufen Tatyana. Mir 27 Jahre. Da meinen personlich email: kristinajova@278gmail.com. Wenn Sie mir ich antworten werden werde ich etwas seiner Fotografien schicken. Ich hoffe mich sehr stark, dass Sie auf meinen Brief antworten werden. Ich warte auf die Antwort.
Ihre Kristina!!!!

 ... und aus dem Westen:

  ... Hi, sah dein Profil auf und wird, um anzuzeigen, wie meine Interesse an mehr wissen Über you. Iʼm schöne, liebevoll und eröffnet gesinnten Dame. Ehrlichkeit ist meine Uhr Wort und der Suche nach einer schweren Beziehung ist mein Ziel. I wird es begrüßen, wenn Sie erlauben this. Please fühlen frei, fragen mich alle Frage, die Sie erreichen mich über (dorcasnewton@yahoo.com)
Dorcas

... für die man selbst ein Übersetzungsprogramm brauchen
würde. Verschickt an alle männlichen User, in der Hoffnung, dass einer, aus welchen Notstandsgründen auch immer, darauf antwortet.

 In den letzten Tagen hat sich ein erster interessanter Kontakt ergeben. Soulbird hat mir zugezwinkert. Ich hab mich artig bedankt und um mehr gebeten. Was nun möglich ist, da ich mit meinen Prinzipien gebrochen und für einen Monat abonniert habe. Kurze Zeit später kommt die erste längere Meldung von Soulbird. Die Spannung eines Kernkraftwerks liegt über mir und meinem Laptop. Ich genieße es und will die Nachricht gar nicht öffnen. Wieder ein gutes Gefühl im Magen. Seit der Rückkehr aus Amerika sind die Tage wie Hochschaubahn-Fahren. Abhängig vom Wetter (daheim halte ich es momentan nicht aus), von meinem Beschäftigungsgrad und von sozialer Ansprache – denn es ist gar nicht so einfach, wieder Kontakte zu knüpfen, nachdem man sich jahrelang auf eine Person konzentriert hat. Auf dem Weg zu einem Ambros-Konzert in Purkersdorf hab ich irgendwann zu Daniella gesagt: „Jemand wie mich findest du nie mehr wieder.“ Ihre Antwort war: „Jaja“, und ich kurz im Irrglauben, sie hätte mich richtig verstanden. Wenigstens einmal … Was ich meinte: Jemanden zu finden, 44 Jahre alt, keine Kinder, nie verheiratet, keine monatlichen Alimente, keine Altlasten, keine wöchentliche Sitzung beim Psychotherapeuten, kommt heutzutage fast einem Lottosechser gleich. Nur eine Exfreundin, die auf Grund beidseitiger Hundeverliebtheit zu einer Freundin meiner Mutter wurde, immer wieder im familiären Umfeld auftauchte und zu einem der großen schwarzen Löcher für 20 E-Mail meine Beziehung zu Daniella wurde. Krankhafte, grundlose Eifersucht – aber nicht nur auf meine Ex, sondern auf alles, was blond war. Wo ich überall hingeschaut haben soll … nicht mal in zwei Leben wäre sich das ausgegangen.

Vorsichtig öffne ich die Nachricht von Soulbird:

Hallo, … willst ein bisschen mehr über mich erfahren… hm, ich tu mir mit diesen ersten „Vorstellungsmails“ ehrlich gesagt a bissl schwer, weil ich mag diese „steckbriefartigen Bewerbungsschreiben“ nicht besonders :-) Falls du weißt, was ich meine? Aber wahrscheinlich hatte ich bisher einfach nur „ungeglückte E-Mails“ und bin daher ein wenig kritisch :-)) Naja, jedenfalls werde ich nicht mit den Sätzen „Ich arbeite als … mein Job macht mir viel Spaß … und meine Freizeit verbringe ich am liebsten … anfangen.“ Diesen Stil mag ich nicht besonders … ich mag eher das Spontane, das Außergewöhnliche, viel Humor genauso wie Tiefgang! Ich mag Menschen und philosophiere gerne mit ihnen übers Leben UND ich liebe Musik – ist gaaanz wichtig in meinem Leben!!! :-) So, ich denk fürs Erste reichts mal, oder? Was sagst du dazu? Hoffe, ich konnte einen kleinen Eindruck von meiner „Besonderheit“ vermitteln :-))
Schönen Abend,
Soulbird

 Ein zweites Mal, ein drittes Mal lesen ... mit jedem Durchgang steigt die Begeisterung. Das klingt wirklich nett. Guter Stil und keine Rechtschreibfehler, soweit ich das erkennen kann. Lässt auf Intelligenz schließen. Mein Interesse wird immer größer und ich mache einen weiteren Blick in das Profil. 41 Jahre, 160 cm und 50 kg. Die Eckdaten stimmen. Obwohl schwer auf die Figur zu schließen ist, da die beiden Fotos am Brustansatz enden ... von oben gesehen. Ein hübsches Gesicht und mittelblonde lange Haare. Hoffentlich aktuelle Bilder! Kann die Erste schon die Richtige sein? Jedenfalls werde ich mir eine gute Antwort einfallen lassen. Musik ist immer ein idealer Anknüpfungspunkt. Vielleicht über den Job schreiben, damit sie keine Angst haben muss, sich einen „Pflegefall" einzuhandeln, oder darüber, wie gelassen unverkrampft man die Sache hier sieht. „Wir sind eh alle glücklich, ABER ..."

 Liebe Soulbird,
Ich sitze gerade im Wienerwald, höre Van Morrison und überlege, was ich dir schreiben könnte. Deine Nachricht ist ja eine richtige Herausforderung. Sicher die ungewöhnlichste, die ich bisher bekommen habe. (Waren noch nicht viele ... bin noch nicht lang dabei.) Ungewöhnlich, aber auch aussagekräftiger als jeder noch so lange Lebenslauf. Ich lese gern zwischen den Zeilen oder versuche es zumindest, und was ich da gelesen habe, weckt mein Interesse nach mehr.
Ganz besonders dein Bezug zur Musik hat mich aufhorchen lassen. Könnte es sein, dass du beruflich damit zu tun hast? Spiele übrigens selbst Gitarre oder versuche es seit 30 Jahren, und beim Dazusingen treffe ich auch hin und wieder die richtige Tonart. Bin aber kein Musiker - leider. Auf das bin ich mittlerweile draufgekommen Hiiilfeee ... merke gerade, dass alles klingt, als würde ich dir nach dem Mund reden bzw. schreiben wollen. Ist aber nicht so. Das ist meine erste Antwort hier, bei der mir mehr einfällt, als ich schreibe. Denk mir aber, zu viel ist auch nicht gut.
Bin schon gespannt, ob eine Reaktion kommt ...
Liebe Grüße, Andreas

 Geschrieben und abgeschickt. Ich begebe mich wieder in die Warteschleife und nutze die Zeit, mich um weitere Ansuchen zu kümmern. Zwinkerer, Flashs, Anstupser und Schnuffelgrüße (die eine ganz besondere Interpretation der Kontaktanbahnung zulassen). Dürfte aber sehr beliebt sein, auf diese Art Verbindung aufzunehmen. Kommen herein, als wären sie im Sonderangebot. Ärgerlich für jemand, der darauf nicht antworten kann. Denn es ist wieder mal wie im wirklichen Leben. Die Richtigen, sprich: die Interessanten, stehen auf der falschen Seite und die Falschen auf der richtigen. Wobei die richtige Seite die ist, die ich finanziell unterstütze. Wirklich ärgerlich! Naja, soll nichts Schlimmeres passieren. Ganz im Gegenteil. Es ist sehr angenehm, wieder interessant zu sein. Allerdings sinkt meine Euphorie schnell, je mehr Profile meiner Interessentinnen ich betrachte. Von Tanzmausi61, der ich nur bei Nacht und ausgefallener Straßenbeleuchtung begegnen möchte, bis zu xxxfelicitasxxx, die ihre körperlichen Vorzüge (massenhaft vorhanden), verpackt und eingespannt in Nylon und Spitze, von allen Seiten präsentiert. So viel wollte ich gar nicht sehen ... Auf einem Foto lässt sie schmutzige Fußsohlen erkennen. Ein schwerer Fehler des Fotografen. Das erinnert mich an meine Jugend, als ich im väterlichen Installateurbetrieb ein paar Ferienwochen verbracht habe, um mein Taschengeld aufzubessern. Auf dem Weg zu einem Auftrag hat einer der Arbeiter, nachdem eine kurvige Rothaarige in engen Jeans und hohen Holzpantoffeln mit Zehenfreiheit (ich kann mich noch genau erinnern) vorbeigeschwebt war, gemeint: „Hea zua, Bua! Wenn ane dreckiche Zechen hot, hots a a dreckiche Fut." (Hör zu, Bub! Wenn eine schmutzige Zehen hat, hat sie auch eine schmutzige ...) „Fut?" ... kommt das von Futter? Hat sie ihre Zähne nicht geputzt? Nach kurzem Überlegen konnte ich mir vorstellen, was gemeint war. Als unbedarftem, naivem Dreizehnjährigen (ist immerhin 30 Jahre her, das waren noch andere Zeiten) hat sich mir dieser Satz als erste „Formel fürs Leben" unvergesslich eingebrannt. Ab diesem Moment hab ich die Person, die mir diese Weisheit vermittelt hat, ganz anders, nach meinem Ferienjob aber nie wieder gesehen. Ich kann jetzt nicht sagen, ob der Grund mein absichtliches Distanzhalten zum Betrieb meines Vaters oder eine Kündigung jenes Menschenkenners und Volksphilosophen wegen dessen zu intensiven Alkoholkonsums war.
Mein erster Guru ... und mein letzter.

 

 FLASHBACK! Diese Rolle spielt anscheinend jeder irgendwann.
Als Daniellas Guru genoss ich volle Zustimmung und Bewunderung. Sogar offiziell anerkannt von ihrem damaligen Noch-Ehemann. Ein unheimlich verlockendes Dasein, an das man sich schnell gewöhnen kann, wäre da nicht die Gewissheit, dass alles ein Ablaufdatum hat. Früher oder später mutiert man zum Besserwisser und bald darauf zum lästigen Anhängsel. Eine undankbare Aufgabe, bei der man nur verlieren kann. Ich werde sie nie wieder übernehmen und lieber jemand finden, der das nicht nötig hat. Und genau darum hab ich mich wieder mal auf meiner Lieblings-Flirtseite eingeloggt. Zwei Schnuffelgrüße und drei Nachrichten. Gute Ausbeute.

 … Hi. Möchte Dir ganz einfach ein paar Zeilen hinterlassen. Mal sehen, vielleicht raffst du dich ja dazu auf, mir zu antworten, auch wenn du so gut wie nichts über mich weißt. Werde das Geheimnis dann aber schon lüften, keine Angst. Schreib mir doch auf: ssluv@gmx.at!
Freu mich drauf …

 ... hallo du,
kraxelst du immer noch im andaggio herum ???
lg opalit

... hallo,
wenn du willst, dann können wir uns bekanntschaft machen ... kannst du mit einer ungarin kennenlernen ... meine e-mail adresse: salami.ani@freemail.hu
lg salami

 

 Die Schnuffelgrüße werden dankbar zur Kenntnis genommen, aber ignoriert. Ob ich Ssluvs Geheimnis lüften will, werde ich erst nach Betrachten ihres Profils wissen. Aufgemacht und … da steht ja gar nichts drin? Alter: 42, Größe: 0 cm. Sonst nichts ausgefüllt und kein Foto. Ssluv wird ein ewiges Geheimnis bleiben, eine Aufgabe für den Papierkorb. Ins Menü und Klick auf „Löschen“. Bester Datenmüll, der rückstandsfrei vernichtet wird. 25 Im Andaggio herumkraxeln? Ist das ein Lokal oder ein Klettergarten? Ich schau mir Opalits Fotos an und kann niemand Bekannten darauf erkennen. Andaggio? War das nicht der alte Name des A-Danceclub im Milleniumtower? Nach Rückfrage im Freundeskreis bekomme ich die Bestätigung. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, je dort gewesen zu sein. Hab ich einen Doppelgänger? Schwerer Schlag, nachdem man, so wie jeder heutzutage, glaubt, einzigartig und unverwechselbar zu sein. Ein Zeitalter der Individualisten, in dem Individualität käuflich ist. Gehöre ich auch dazu? Mein Trost ist die Vorstellung, dass es sich bei dem Kerl um eine billige Kopie handelt und Opalit eine Sehschwäche hat. Mit 44 kann das schon vorkommen. Ich bin aber neugierig geworden, besuche die Website des A-Danceclub und gehe auf „Eventfotos“. Vielleicht finde ich mich hier? Interessantes Publikum! Sehr gemischt … weder von mir noch von meinem Zwilling ist etwas zu sehen. Jetzt weiß ich ganz sicher, hier niemals gewesen zu sein. Hilfe! Obwohl: Es gibt eine „35+ Singlenight“! Soll ich Opalit in ihrer Nachricht bestätigen und vorbeischauen? Ich beschließe, diese Option für schlechte Zeiten aufzusparen … ist nicht ganz meine Zielgruppe. Und die Gelegenheit, eine Ungarin kennenzulernen? Sollen recht feurig und temperamentvoll sein. Meine Erfahrung beschränkt sich auf Daniella, eine weniger feurige als Feuer spuckende Favoritnerin, verirrt nach Währing und losgelassen 26 auf einen wehrlosen Döblinger. Deshalb gehe ich jetzt in Selbstverteidigung. Ich werde hier keine genauere Beschreibung von salami abgeben, sage nur: „Gut gewählter Nickname!“ Sie erspart mir die Entscheidung, für gepfefferten Paprikasex möglicherweise ungarische Familienfeste am Plattensee in Kauf nehmen und ein Wochenendpendler-Dasein führen zu müssen. Sonntage im Krawa sind sicher geruhsamer, auch wenn vor lauter Badegästen kein Stück grüne Wiese mehr zu sehen ist. Meine Eitelkeit bedankt sich für die Zuschriften (ausgenommen jene mit dem Andaggio-Doppelgänger, diese Niederlage muss ich erst verdauen) und meine Vernunft beschließt, nicht zu antworten. Stattdessen warte ich auf Post von Soulbird. Ein Zwei-Tages-Rhythmus hat sich eingependelt. Jeden zweiten Tag kommt Nachricht, am Tag darauf schreibe ich zurück. Wo wird das hinführen? Immer längere Mails und die Befürchtung, dass dieses System auf Grund von Zeitknappheit und Ideennotstand bald zusammenbricht. Ich sitze im Wienerwald, im Krawa oder daheim vor dem Laptop, schreibe und fühle mich wie ein Schriftsteller. Ein neues, gutes Gefühl.

 Hallo Andreas im Wienerwald :-) Zuerst mal danke für die netten Blumen und das „zwischen den Zeilen lesen“ … gefällt mir :-). Ich muss dir auch ein Kompliment zurückgeben, deine Antwort entspricht auch in keinster Weise diesen schrecklichen „Selbstbeweihräucherungs-Mails“ die ich bisher so bekommen hab! Und zu Deiner Beruhigung, ich empfinde es überhaupt nicht als würdest du mir nach dem Mund schreiben, sondern merke nur, dass du auch einen besonderen Bezug zu Musik hast und das find ich sehr erfreulich und kann nur unterstreichen, dass Musik jede Situation zu etwas Besonderem macht!!! Sag, und was hörst bzw. spielst du sonst noch außer Van Morrison (natürlich auch ein Klassiker) … muss sagen, bin in Bezug auf Musikrichtungen sehr offen und höre die unterschiedlichsten Sachen, allerdings was ich wirklich schrecklich finde und womit ich absolut nix anfangen kann sind Schlager & österreichische Volksmusik! Wie siehst du das? … und bitte nicht hier die erste Enttäuschung :-)) So, ok, aber jetzt genug … aufpassen, ich wechsle das Thema :-) Also Andreas, was machst Du tagsüber – „freiberuflich im Sportbereich“? Zum Thema Sport muss ich leider gestehen (und da werd ich jetzt wahrscheinlich keine Pluspunkte bei dir sammeln), dass ich da eher die „Gemütliche“ bin … Na was sagst, wie hab ich die Kurve gekriegt? Soll ich jetzt auch noch aufs Berufliche eingehen oder wirds scho wieder zu lang das Mail ? Obwohl, über meinen Job gibts eh nicht viel zu berichten, arbeite bei einer amerikanischen Bank und manage den Managing Director, na wie klingt das? :-) Ja, is zwar nicht mein Traumjob, aber da ich das „nur“ in Teilzeit mache und einen der liebsten Chef der ganzen Wirtschaftswelt habe, ist das ganz ok für mich! Überhaupt, die Teilzeitbeschäftigung ist für mich sooo wertvoll und hat echte Lebensqualität. Ich bin eine der wenigen, wenn überhaupt nicht die Einzige auf diesem 28 E-Mail Planeten, die behaupten kann: Ich habe wirklich viel Zeit für mich … is das nicht Luxus??? So lieber Andreas aus dem Wienerwald, wünsch dir noch nen schönen Samstag und freu mich wieder von dir zu lesen! lg, Andrea

 Liebe Andrea, Ich habe innerlich lächeln müssen, als ich deinen Namen gelesen habe … Eines muss ich allerdings vorweg gestehen, damit die erste Enttäuschung nicht allzu groß wird: Bin schwerer Hansi-Hinterseer-Fan (!! Jetzt, bitte, nicht gleich abdrehen oder gar löschen !!) bzw. war es vor ungefähr 30 Jahren, als er noch Skirennen gefahren ist. In Wahrheit kann mir alles, was irgendwie nach Musikantenstadl riecht, gestohlen bleiben. Musik muss etwas Echtes, Unverwechselbares haben. Wenn ich das heraushören kann, ist mir egal, welche Stilrichtung. Vom Wienerlied bis zum Punkrock. Kennst du z. B. Roland Neuwirth & die Extremschrammeln? Ich war in den letzten Jahren auf einigen Konzerten und es war jedes Mal ein Erlebnis. Eine Mischung aus Wienerlied, Blues, Jazz, dargeboten von einem typischen Wiener und echtem Musiker. Einfach unverwechselbar. Meine Lieblingslieder: „Heimat“ und „Aber du bist mei Kittlfaltn“. Höre ich übrigens gerade am iPod. (Ein fantastisches Teil, momentan 2000 Titel gespeichert und immer parat!) Das hätte ich mir vor 20 Jahren gewünscht, als jeder mit Walkman und Kassette herumgelaufen ist. War aber eine tolle Zeit. Die ersten Clubbings sind entstanden. Mein einziger, wirklicher und natürlich bester Freund (von dem ich dir vielleicht noch erzählen werde) und ich, wir haben uns im U4 beim „Schweineclub“ oder im Volksgarten in der „Soul Seduction“ herumgetrieben und die neueste Musik gehört. 29 Möglicherweise weckt das auch bei dir Erinnerungen. Besonders genial im Volksgarten: Im großen Teil die neuesten Scheiben aus London und in der „Banane“, dem Teil, den man zum Garten hin aufmachen kann, Soul, guter alter Motown-Soul: Aretha Franklin, Sam and Dave, Otis Redding, James Brown … genial. Apropos James Brown: Sein Konzert im Gasometer war ein Hammer. Voller Kraft und Energie … 2 Monate später war er tot … so schnell kanns gehn. Eijeijei - wieder mal nur musikalische Unterhaltung. Und es gäbe noch so viel zu schreiben in Sachen Lieblingsmusik, selbst musizieren usw. .....Ich hoffe, du glaubst nicht, ich wohne in einem Bretter-Äste-Verschlag irgendwo mitten im Wienerwald. Immerhin brauch ich ja einen Stromanschluss für meinen Laptop … Bin zwar nicht weit davon entfernt (zumindest entfernungstechnisch gesehen), habe aber ein festes Dach über dem Kopf. Nachdem ich jetzt weiß, dass du dich im Finanzwesen herumtreibst und Manager managst (obwohl ich mir nicht viel darunter vorstellen kann), werde ich wohl auch mein Geheimnis lüften. Mir ist keine bessere Verallgemeinerung eingefallen als die, die im Internet steht („selbständig im Sportbereich“). Eigentlich bin ich Fitnesstrainer und mache mit den Leuten so ziemlich alles, was mit Sport zu tun hat. Jedenfalls, keine Angst: Ich bin kein Bekehrer oder Glaubensvertreter in Sachen Sport. Habe auch keinen Leistungskomplex. Mir ist wichtig, dass die Leute gesund bleiben, in der Früh nicht auf allen vieren aus dem Bett kriechen und sich bewegen können. Das ist einfach ein Teil der Lebensqualität. Wenn du mit dir zufrieden bist und keine Probleme hast, würde ich sicher nicht versuchen, dir etwas einzureden … allerdings … wenn man schon eine sitzende Beschäftigung hat – und jünger werden wir auch nicht – okay, okay, ich hör schon auf! Bei der Gelegenheit muss ich dir gleich die zweite schwere Enttäuschung bereiten (nach H. Hinterseer): 30 Ab jetzt musst du mit dem Wissen leben, dass du nicht die Einzige auf diesem Planeten bist, die viel Zeit für sich selbst hat. Du wirst dieses Privileg mit mir teilen müssen. Den morgigen Montag hab ich mir z. B. freigehalten und werde mit guter Musik im Ohr (wahrscheinlich Van Morrison) in den Ötschergräben herumwandern … Ach ja, eines würde mich noch interessieren: In welcher Ecke von Wien bist du eigentlich daheim? Meine kannst du dir wohl schon ungefähr ausmalen … Jedenfalls macht es echt Spaß, mit dir zu kommunizieren und ich finds lustig, wie viele Parallelen es gibt (abgesehen von den Vornamen). Ich hab auch schon eine bestimmte Vorstellung von dir: Bankdirektorin, die Hardrock hört und mit Nietenlederjacke und iPod zur Arbeit kommt. In diesem Sinne „Alles Gute“ und liebe Grüße, Andreas

 Mein Bild von Soulbird Andrea nimmt immer plastischere Formen an. Gleichzeitig kommt die Befürchtung auf, dass die Realität mit der Fantasie irgendwann nicht mehr wird mithalten können, sollte es zu einem Treffen kommen. Eine eigenartige Welt – Brieffreundschaft in komprimierter Form. Was früher Tage bis Wochen gedauert hat, geht heute sekundenschnell. Wäre es möglich, eine Beziehung per Mail und Chat zu führen? Ist das die Zukunft? Vielleicht werde ich es noch selbst ausprobieren – in der Vergangenheit hätte es mir einige Konflikte erspart. Daniella als Bildschirmschoner: ein Klick und aus! Rückblickend eine verlockende Vorstellung.

Kapitel 4

Es ist Herbst. Wehmütig der Badesaison nachtrauernd, verbringe ich viel Zeit zu Hause. Zu viel! Auf den Flirtseiten herrscht Hochsaison. Ist es die Angst vor einem einsamen Winter? Besucher folgt auf Besucher, und täglich kommen neue Anfragen. Mittlerweile wieder als „Nichtzahler“ unterwegs, meine Mailadresse im Profil eingebaut, bin ich gespannt, ob diese Kontaktmöglichkeit angenommen wird. Lobo, der Partisan des Internets! Im Kampf gegen die Kreditkartenzupfer!
Es funktioniert nicht überall. Manche Freischaltungsprogramme arbeiten anscheinend genauer als andere. Auf diesen Seiten beschränke ich mich aufs Schauen und, darauf (wenn möglich), eintreffende Nachrichten zu lesen. Ich kann zwar nicht antworten, versäume bei genauerem Hinsehen aber nicht viel. Es wird Zeit, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich sitze auf meiner Harley und lasse mich durch das Weinviertel treiben. Im speziellen Licht der Jahreszeit erscheint die Gegend noch verlassener und unwirklicher. Eine ruhige, die Zeit verneinende Einsamkeit, die in Verbindung mit den „good vibrations“ des Harleymotors meine Gedanken fliegen lässt. Über schmale Landstraßen, nur unterbrochen von Bahnschranken, die das Gefühl vermitteln, man warte bereits eine halbe Stunde davor, während der Zug sich irgendwo verfahren hat. Hier gehen die Uhren anders. Ich könnte mir vorstellen, hier zu leben. Vielleicht gibt es im Netz interessante Frauen, alleinstehend, ohne Kinder, mit einem Bauernhof in dieser Gegend … wäre das zu viel verlangt? Aufgewacht! Ein Hase quert die Straße, knapp vor meinem Vorderrad. Bremsen und Ausweichen ist kein Problem bei meinen heißen 70 km/h. Das richtige Tempo, um im Einklang mit der Umgebung dahinzusegeln und nicht dauernd von ins Gesicht knallenden Insektengeschoßen zu gotteslästerlichen Kraftausdrücken verleitet zu werden. Ich bin Jethelm-Träger, mit dem Verlangen nach frischer Luft ohne störendes Visier! Vom Abblendlicht magisch angezogen, anscheinend im Glauben, einem besonders geilen Artgenossen zu begegnen, jedoch vom Fahrtwind abgelenkt, klatschen Käfer gegen meine Wangen und bleiben im Dreitagesbart hängen. Besonders schmerzhaft, wenn mich so ein Insekt auf die Lippen küsst … brennt wie eine Fieberblase! Einige hab ich schon verschluckt. Nicht mein Geschmack, aber es tut nicht weh. Jethelmpflicht wäre die einfachste Methode, um die Geschwindigkeit beim Motorradfahren zu reduzieren. Spätestens nach der fünften „Flatterwatsche“ dreht jeder den Gashahn zurück. Oder lässt sich als Gegenmittel einen Vollbart wachsen … Ich werde diese Idee noch mal überdenken – und doch nicht propagieren. Meine Rolle als Guru und Bekehrer hab ich längst abgelegt. Daniella ist irgendwann auf die Idee gekommen, selbst Motorrad zu fahren und die Vorstellung, miteinander, jeder auf seiner Maschine, durch das Weinviertel zu gleiten, hatte einen gewissen Reiz. Auch wenn ich mich mit der Vorstellung, eine 125er (mehr war nicht möglich ohne großen Aufwand) im Schlepptau zu haben, nicht recht anfreunden konnte. Die Berechtigung für 125 ccm war schnell gemacht, und das Fahren mit Automatikrollern auf dem Übungsgelände war für Daniella auch ein großer Spaß. Aber dann! Es sollte ja etwas Richtiges sein! Japanischer Chopperverschnitt, großes Motorrad mit kleinem Motor, außerdem Fußschaltung … die ideale Kombination! Übungsstunden auf dem Kahlenbergparkplatz waren bitter notwendig. So mancher Moment hat meinen Puls auf 250 beschleunigt, besonders, wenn die Straßenlaterne nicht daran dachte auszuweichen oder das Lenken, Bremsen und Kuppeln den Geist überfordert hat. Ich gebe zu, dass es am Anfang nicht einfach ist … Eines Tages wollte mich Daniella mit dem Motorrad im Garten besuchen. Gemütlich auf meiner Holzbank sitzend, höre ich sie herantuckern. Über dem Gartenzaun sehe ich ein bekannt markantes Gesicht, diesmal in einem mattschwarzen Helm verpackt, vorbeischweben. Plötzlich ist der Kopf weg und ein hässliches Geräusch, das nur der Kontakt von Metall auf Schotter hervorbringen kann, fährt mir in die Ohren. Oh, Gott! Daniella, im Staub liegend, das Motorrad daneben, der Chromauspuff zerkratzt und verbeult, die Spiegel verbogen – kein schöner Anblick. Nerven beruhigen, hinlegen. Ich hab mich natürlich zuerst um Daniella, dann um das Motorrad gekümmert. Ein jähes Ende einer kurzen Karriere. Der Minichopper wurde verkauft und eine beleidigte Schulter hat noch lange an dieses Abenteuer erinnert. Die Idee eines Kontakts ins Wein- oder Waldviertel beschäftigt mich. Wieder am Laptop, präzisiere ich meine Suche auf Hollabrunn, Mistelbach und Umgebung, 30–45 Jahre, Figur: schlank, sportlich oder normal (alle weiteren Möglichkeiten ausgeschlossen), Haarfarbe: egal. Los gehts! 25 Ergebnisse, da wird doch ein interessantes Mädel dabei sein …

blackcat569 aus Weitra:

 … ich suche: einen richtigen Kerl, der weiß, was er will, größer und älter …

 Richtige Männer sind wieder einmal gefragt, also nicht mein Fall. 167 cm und 70 kg machen mir die Entscheidung leicht.

lunia aus Oberleis will:

 … einen ehrlichen Menschen … der es auch so meint, wie er es sagt … keinen, der nur von Alkohol leben kann, keinen, der nicht mit Kindern umgehen kann …

Klingt nach einem bewegten Vorleben. Das psychologische Betreuungsprogramm hab ich mit Daniella abgeschlossen – also auch nicht mein Fall!

irmik70 aus Ruppersthal sucht: 

… netten typ, der kan stress mocht und mi nimmt, wia i bin. und i bin pflegeleicht … bitte, ladets mi net imma auf an kaffee ein … net bös sein.

Ich werde keinen Stress machen und keine Koffeinvergiftung verursachen. Weiter im Programm!

 

augenweidexy aus Horn:

…ich suche nicht, ich lass mich finden … keinesfalls sollte dieser mann mit ausgeleierten shirts und jogginghosen rumlaufen, auch nicht zu hause … möchte spaß haben ohne verpflichtungen … dieser mann sollte groß sein, ab 180 cm, darf ruhig etwas eitel sein, eine gepflegte erscheinung, und er sollte nicht zu allem ja und amen sagen. leidenschaftlich und zärtlich, ein absolutes MUSS.

fragen an dich: bist du leidenschaftlich und zärtlich?

bist du ein gepflegter (rasierter) mann?

wie verwöhnst du eine frau? 

Augenweide muss aufpassen, dass sie mit so hohen Ansprüchen nicht zur Trauerweide wird. Aber Männer, ich meine richtige Männer, probieren sich sowieso an allem aus, was weiblich
ist. Und Augenweide ist sehr weiblich. Lange braune Haare und eine perfekte Figur mit auffälligen Rundungen, die sie auf ihren Fotos dezent präsentiert. Nicht ordinär, eigentlich interessant. Aber wenn ich an den Begrüßungstext denke ...
Bist du leidenschaftlich und zärtlich? Ich erinnere mich, irgendwann von Daniella gehört zu haben, dass sie aufgrund mangelnder körperlicher Zuwendung meinerseits zur Massage gehen müsse, um zu ihren Streicheleinheiten zu kommen. Die Brandblasen auf meinen Fingerkuppen, verursacht von nachlässigem Umgang mit dem Epiliergerät ihrerseits, hatten als Gegenbeweis keine Gültigkeit. Das bringt mich auch schon zur zweiten Frage: Rasiert bin ich, aber nur im Gesicht, und das sehr unregelmäßig. Augenweide wird wohl eine andere Einstellung zum Thema erwarten.
Und auf die dritte Frage fällt mir gar keine Antwort ein ...
durchgefallen!
Sollen sich andere diesen Stress antun, ich brauche Ruhe und Gelassenheit, jemand, mit dem man die Zeit genießen kann, der einen nicht dauernd auf den Prüfstand stellt. Die Schulzeit ist vorbei, jetzt sollte ein langes, ungetrübtes Festival beginnen. Und wenn es nicht anders geht, feiere ich eben allein.

 

Hoppla! Monja aus Langenlois taucht gerade auf meinem Bildschirm auf. Ein interessantes, schmales Gesicht, und natürlich wieder einmal blond. In einer wunderbaren Gegend daheim: am Anfang des Kamptals, nicht weit von der Wachau. Jetzt sollte sie nur noch einen Bauernhof besitzen, mit einer großen Scheune für alle meine Fahrzeuge.
Die Fotos geben keinen Hinweis darauf, stattdessen zeigen sie eine gut aussehende vierzigjährige Frau in lässigem Outfit. Genau der Stil, der mir gefällt. 168 cm groß, 57 kg, keine Kinder…
Es wird immer besser!

Sie schreibt:

… würde gern nette Menschen kennenlernen, was auch immer sich daraus ergibt. Alles kann, nichts muss passieren …

Der Text könnte von mir sein. Damit kann ich mich identifizieren.

... Hallo Monja,
alles kann, nichts muss passieren ... dieser Satz würde gut in mein Profil passen. Dein Foto ist mir ins Auge gestochen und erst recht deine Einstellung.
Vielleicht wirfst du mal einen Blick auf meine Seite und
lässt von dir hören.
Würde mich freuen!
Lg Andreas

Abschicken und auf Antwort hoffen. Die Frage nach dem Bauernhof verkneife ich mir einstweilen. Nur nicht mit der Tür ins Haus fallen, sonst fällt sie einem schnell auf den Kopf. Abwarten und Tee trinken. Tee ist im Moment ein gutes Stichwort. Seit zwei Tagen trübt unangenehmes Halsweh das Vergnügen im Internet. Das wird eine astreine Verkühlung. Trotzdem lasse ich mir den Spaß nicht verderben.

 

Die Mails an und von Soulbird Andrea werden immer mehr, und die Vorstellungen von der Person, die dahintersteckt, immer E-Mail konkreter. Kann da die Realität noch mithalten?
Zum x-ten Mal studiere ich ihre Fotos und frage mich, ob mir gefällt, was ich da sehe. Ich fürchte, nicht zu wissen, was ich will. Bei diesem virtuellen Überangebot setzt sich der Gedanke, dass etwas Besseres nachkommen könnte, fest wie ein Mitesser. Es kann nicht schaden, langsam auf eine Verabredung hinzuarbeiten, sonst kollabiert das Ganze noch, bevor es angefangen hat. Obwohl mich der Gedanke daran nervös macht. Jemand zu treffen, den man nicht kennt, aber so zu tun, als ob, ist auf keinen Fall mein Spezialgebiet … ich werde es lernen müssen.

 Hello Andreas! (sag, bist du wirklich „Andreas“ oder eher ein Andi ?? :-) Ja, ich weiß, das is jetzt a bissl a komische Fragestellung, gell? Na, aber was solls, jetzt kennst mich ja schon a bissl und da kann man sich auch schon mal ne „komische“ Frage erlauben :-) Wie war dein freier Tag heute, hast ihn genossen bei diesem herrlichen Wetter? Apropos freier Tag … da ich eine sehr ausgeprägte soziale Kompetenz besitze, teile ich das „Viel-Zeit-fürsich“- Privileg sehr gerne mit dir!!! Ich find das super, und dann weißt du auch ganz genau, wieviel Luxus und Lebensqualität es mit sich bringt! Also, ich hab da auch grad so ne Vision von dir … irgendwo im tiefen, verwilderten Wienerwald vor dem Bretter-Äste-Verschlag, ganz versteckt unterm Laub das Herzstück: „DIE HARLEY“, die gepflegt und gehegt wird wie eignes Fleisch & Blut, der man vor jeder Ausfahrt gut zuredet, dass sie auch –bitte! – anspringt … Die Lederjacke mit AC/DC- & Harley-Abzeichen wird aufpoliert, der berühmte „Harley-Rauschebart“ und die langen Federn noch zurechtgezupft und dann gehts los 39 E-Mail auf den Highway of Wienerwald … ok, ok, geb zu, die Fantasie geht grad a bissl mit mir durch. Von Mail zu Mail werd ich neugieriger auf dich und irgendwie stellt sich schon so ne Art Vertrautheit ein und das nach 3 oder sinds doch schon 4 Mails ? (Aber nach der Länge der Mails sinds eh schon mindestens 10) Ich find das richtig spannend! Aber, wie schon gesagt, wenns zu lang wird, man kann ja auch alles übertreiben, dann gib Bescheid … aber bitte auf diplomatische Weise, bin sensibel!!! :-) Eins noch … weiß nicht, ob wir überhaupt schon so weit „fortgeschritten“ sind, um so eine intime Frage zu stellen? :-) Aber ich würde gern mal Deine Stimme hören, kannst mir vielleicht was vorsingen? Na, keine Sorge, Andreas, das war ein Joke, aber deine Stimme würd mich schon interessieren, sollten wir vielleicht mal telefonieren, nur reden ohne singen, versprochen! Was meinst Du ? Wow … jetzt bin ich aber von mir selbst überrascht, wie offensiv ich grad bin :-) Schönen Abend & lieben Gruß vom anderen Eck des Wienerwalds, Andrea

 Andrea kann anscheinend Gedanken lesen!

 Hallo Andrea, die Frage ist gar nicht so komisch. Meine Eltern haben immer großen Wert darauf gelegt, dass niemand „Andi“ sagt. (Hat es da nicht einmal ein Waschmittel oder ein Erdäpfelpüree gegeben?) Lieber ist mir „Andreas“. Auch wenn ich manche Dinge mit der Begeisterung eines „Andi“ angehe – wenn man so den Grad des Erwachsenseins bestimmen kann. Wie z. B. gestern: Fahre Richtung Ötscher, mache einen Zwischenstopp bei meinem Harleyhändler in St.Pölten (Motoröl usw. zum Einwintern), dann weiter nach Wienerbruck, eine Station mit der Mariazellerbahn und hinunter in die Ötschergräben. Super Wetter, beim Mirafall liege ich in der Sonne, Van Morrison im iPod, und freu mich wie ein Kleinkind über mein (unser) Privileg. Mir ist aufgefallen, dass sich auch unsere Visionen voneinander wunderbar ergänzen. Hardrockbankerin und überwuzelter Harleyfahrer, der mal schnell bei der Bank vorbeischaut um Benzingeld. Natürlich, falls die Harley anspringt … immer diese Vorurteile gegen HD! Meine hat mich noch nie verlassen … hoppala, wie das klingt … Die Länge deiner Mails stört mich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Meine werden ja auch immer länger. Es besteht nur die Gefahr, dass wir irgendwann ca. 2 Wochen Wartezeit einplanen müssen, wenn dann ganze Romane hin- und hergeschickt werden. Schon allein, um das zu vermeiden, fällt mir als Lösung nur ein: telefonieren oder treffen. Oder beides! Ich denke mir, wenn schon mal die Chance besteht, ein besonderes Mädel mit Verdacht auf Seelenverwandtschaft kennenzulernen, sollte man sie nutzen. Irrtümer sind natürlich nie ausgeschlossen und auf die Nase fällt man auch immer wieder, aber „thatʼs life“. Puh, ganz schön trockene Abhandlung des Themas. Kurz gesagt: Ich würde mich sehr freuen, dich mal zu treffen. 0676/160 40 37 -Wenn dir lieber ist, dass ich anrufe, schreib mir, bitte, deine Nummer. Und ein Vorsingen wird sich möglicherweise irgendwann ergeben, aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob du dir das wünschen solltest … als Musikliebhaberin. Ich habe das Gefühl, langsam wird es spannend bzw. noch spannender. Und jetzt werde auch ich aufhören. Sonst sitze ich morgen noch immer da und du hast nichts zu lesen vorm Schlafengehen. In diesem Sinne einen schönen Abend – und ich frage mich, was als Nächstes passiert. Ganz liebe Grüße, Andreas

Geschafft! Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Bin schon neugierig auf die nächste Nachricht – einen Tag später ist es soweit.

Hallo Andreas, seitdem ich gestern vorm Schlafengehen dein Mail bekommen hab bin ich irgendwie a bissl aufgeregt :-) Sitz jetzt da vorm PC, mein Handy neben mir liegend (obwohl diese Tatsache ja noch nicht sooo aufregend ist), aber deine Nummer … und denk, soll ich oder soll ich nicht :-)
Einerseits bin ich sooo neugierig und würd am liebsten gleich anrufen, andererseits find ich auch die Spannung seeehr kribbelnd … Weißt, dass ich heute sogar schon mal richtig erschrocken bin, als mein Handy geläutet hat mit einer mir unbekannten 0676er-Nummer … Hab mich aber schnell wieder beruhigt:
1.) weil: falsch verbunden,
2.) du hast ja noch gar nicht meine Nummer …
Tja, und deshalb freut es mich, Ihnen diese hiermit ganz feierlich & offiziell zu senden: 0699/598 26 34 … ich find das grad sehr aufregend.
Schick dir auch nen ganz lieben gruß und bin auch sehr gespannt, was als Nächstes passiert!
Andrea 

 Die Nummer hab ich, den Rest muss ich selber machen. Morgen … Morgen wird heute, und ich bin auf unbestimmte Art nervös. Welcher Zeitpunkt ist der beste? Den ganzen Vormittag schiebe ich die Sache vor mir her: „Andrea muss arbeiten und hat jetzt sicher keine Zeit zu telefonieren …“ Das gibts ja nicht! Bin ich so ein feiger Hund? Kurz nach Mittag, auf dem Weg zur Arbeit, fällt die Entscheidung: „Jetzt!“ Ich parke ein, nehme das Handy zur Hand, die Nummer ist gespeichert – und rufe an.

„Hallo?“ Eine unerwartet tiefe Stimme meldet sich. Mir wird heiß. Bin ich einem Fake aufgesessen und muss mit einer Einladung zur nächsten Regenbogenparade rechnen?
Unbegründete Befürchtung! Ich plappere drauflos, was ich von mir gar nicht gewohnt bin, aber es funktioniert. Der Job, die letzten Mails, belanglose Dinge, die wir besprechen. Dass wir uns mal treffen sollten und Näheres schriftlich ausmachen werden. Mit einem guten Gefühl verabschiede ich mich. Geschafft!

Aus dem Halsweh ist ein quälender Schnupfen geworden. Wieder daheim, strecke ich mich auf dem Sofa aus und lasse den Laptop arbeiten. Alle Kontaktseiten geöffnet, doch heute herrscht Funkstille.
Auch von Andrea keine Reaktion auf unser Telefongespräch. Dann werde ich wohl reagieren müssen. Zuerst aber Pflege meiner verstopften Nase. Ich fühle mich nicht besonders. Heute wird nur beobachtet. Auf der Lauer liegend wie ein Löwe auf Antilopenjagd, allerdings mit getrübtem Geruchssinn, wie verloren in der Prärie, verschiebe ich jede weitere Kommunikation auf morgen. Da hilft nur noch Abschalten und Schlafen gehen. Gute Nacht!

Kapitel 5

Nachricht von Monja:

 Hi Andreas, irgendwie funktioniert das hier nicht … wollte dir zurückschreiben, aber es geht nicht. Deshalb meld ich mich erst jetzt. Danke für dein Kompliment und zur Abwechslung einmal eine „normale“ Message. Du kannst dir nicht vorstellen, was hier für Blödsinn verschickt wird.
Nächste Woche bin ich auf Mallorca. Ballermann 6 – das wird cool! Ich freu mich schon sehr darauf. Danach könnten wir mal chatten, wenn du Lust hast.
Ciao, Irene

Gut, das gibt mir Zeit, meine weitere Vorgehensweise zu überlegen. Langsam muss ich planen wie Napoleon. Zuerst eine nette Antwort an Monja schreiben, dann für nächste Woche ein Treffen mit Andrea arrangieren und dazwischen ein paar Mails bearbeiten. Wenn das so weitergeht, wird es ein Remake von „Boeing Boeing“ mit Tony Curtis – oder ich werde irgendwann meine Identität ändern müssen.

Hallo Irene, dann wünsch ich dir einen schönen Urlaub. Mallorca kenn ich nicht, ist aber sicher schön.
Könnte es sein, dass du erst danach so richtig Erholung brauchst?
Wir lesen/hören uns.
Liebe Grüße, Andreas

Jetzt kann ich mich auf Andrea konzentrieren. Die Reaktion auf
unser Telefonat kommt am nächsten Abend.

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